Würzburg (POW) Gemeinsam mit zahlreichen tschechischen Gästen hat die Ackermann-Gemeinde im Bistum Würzburg den 60. Jahrestag der Gründung dieses ersten Verbandes von Heimatvertriebenen gefeiert. Professor Dr. Rudolf Grulich aus Königstein erinnerte in seinem Referat an die weitblickenden, im Widerstand gegen die Naziherrschaft erprobten politisch, gewerkschaftlich und kirchlich engagierten Christen der Gründergeneration. Mit der Ackermann-Gemeinde hätten sie in den Jahren 1945/46 aus gläubiger, sozialer und politischer Verantwortung ihren verzweifelten sudetendeutschen Landsleuten einen Weg aus der damaligen Not aufzeigen wollen. Immer wieder hätten sie dazu aufgerufen, nicht von Rückkehr zu träumen und tatenlos auf Hilfe zu warten, sondern selbst eine neue Existenz aufzubauen, mit welcher Arbeit auch immer. Die sozialpolitischen Thesen der Ackermann-Gemeinde seien schon bald in anderen Verbänden der Vertriebenen, in Politik und Gesetzgebung beachtet und umgesetzt worden. Mit Augenmaß hätten Politiker der Ackermann-Gemeinde an die parlamentarischen Gremien appelliert und hätten sie von einem notwendigen Lastenausgleich überzeugen können.
Gegenüber dem tschechischen Volk sei schon 1946 jeder Gedanke an Rache und Vergeltung abgelehnt worden, aber auch andererseits eine sudetendeutsche Kollektivschuld zurückgewiesen worden. Dieser Gedanke habe dann auch fünf Jahre später Eingang in die feierliche Erklärung der „Charta der Heimatvertriebenen“. Der Jugend in Hochschulring und Junger Aktion habe die Ackermann-Gemeinde den Blick Richtung Osteuropa gewiesen und in ihr zugleich auch die Bereitschaft geweckt, am zukünftigen Europa mitzubauen. Ackermann-Gemeinde und Junge Aktion sind heute vor allem im Sinne von Verständigung und Versöhnung tätig, wo immer Tschechen und Deutsche im Rahmen ihrer Treffen einander begegnen.
Die Bestandsaufnahme des deutsch-tschechischen Dialogs im Jahre 2006 war mit dem Titel überschrieben „Partnerschaftlicher Aufbruch oder konfliktreicher Stillstand?“ Der Prager Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Karl-Peter Schwarz, zeigte in einer schonungslosen Analyse den Zustand des bilateralen deutsch-tschechischen und besonders des sudetendeutsch-tschechischen Dialogs auf. Schwarz bezeichnete den Text der deutsch-tschechischen Erklärung von 1997 als ein „diplomatisches Kunststück“. Mit ihm sei das die Sudetendeutschen diskriminierende Unrecht der Benes-Dekrete von der politischen Tagesordnung genommen worden. Im deutsch-tschechischen Dialog sei auf lange Sicht kein neuer Impuls zu erwarten, zumal der EU-Betritt Tschechiens eher zu einem Stillstand des politischen Diskurses geführt habe.
Der sudetendeutsch-tschechische Dialog sei geprägt von der „deutschen Frage“, einem eher innertschechischen Problem, und von der Bewältigung der Vergangenheit, einem Streitpunkt in der innersudetendeutschen Diskussion. Das erwecke vielfach den Eindruck von Stillstand, da alles, was von tschechischer Seite positiv zum deutsch-tschechischen Verhältnis gesagt werden könne, von Hunderten von tschechischen Intellektuellen und auch von der tschechischen Bischofskonferenz schon gesagt worden sei. „Aber eben nicht von der tschechischen politischen Klasse“, sagte Schwarz.
Bischof em. Dr. Josef Koukl aus Leitmeritz, der mit den Teilnehmern und der gastgebenden Gemeinde Sankt Josef in Würzburg-Grombühl in Konzelebration mit Monsignore Karlheinz Frühmorgen und Pfarrer Josef Treutlein den abschließenden Gottesdienst feierte, mahnte zur Geduld. Er hält die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen für eine Frage von mindestens drei Generationen.
(1106/0431)