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29. Sonntag im Jk., Lj. B, Vorabendmesse in Himmelspforten – 19.10.2024

Demut erfordert Mut!

„Der strahlende, clevere Gewinnertyp, der Erfolgsmensch gilt etwas in der Öffentlichkeit und sein Auftreten ist Vorbild“, sagte Domkapitular Clemens Bieber bei der Feier der Vorabendmesse im Exerzitienhaus „Himmelspforten“ in Würzburg. „Demut setzt … persönliche Stärke und – damit verbunden – persönlichen Einsatz voraus. … darum geht es, dass wir wegkommen von einer falsch verstandenen Selbstsicherheit und Überheblichkeit … Dann … wird unser Zusammenleben immer menschlicher. Dann wird deutlich, wie wichtig unsere Botschaft als Kirche in einer Gesellschaft ist, die sich immer weniger bewusst ist, wie ein friedvolles, zufriedenes, erfüllendes und sozial gerechtes Miteinander gestaltet werden kann.“

Die Predigt im Wortlaut:

„Wertewandel“ – inzwischen längst ein Schlagwort, das aus dem Fachchinesisch der Soziologen und Theologen in unsere Alltagssprache eingedrungen ist.

Kein Wunder, denn in der Tat hat sich in den letzten Jahrzehnten ein ungeheurer Wandel vollzogen: Was in der unmittelbaren Nachkriegszeit oder auch noch in den fünfziger Jahren für wichtig und wertvoll erachtet wurde, das gilt heute vielfach als absolut überholt und unzeitgemäß. Das vielleicht extremste Beispiel dafür: die Demut.

Früher wurde Demut als Wert angesehen. Heute wird Demut abgelehnt und höchstens als ein Überbleibsel aus der Mottenkiste christlicher Moralvorstellungen angesehen. Menschen, die sich zurücknehmen, sind nicht gefragt. Der strahlende, clevere Gewinnertyp, der Erfolgsmensch gilt etwas in der Öffentlichkeit und sein Auftreten ist Vorbild.

Ganz klar: Die Demut stand auch früher nicht immer hoch im Kurs gestanden. Denn schon in vergangenen Zeiten haben meist die eben nicht so Demütigen allgemeine Achtung und Anerkennung gefunden. Dennoch dürfen wir heute als Christen mit diesem Hinweis auf früher nicht zufrieden sein und uns damit abfinden, dass die Demut entwertet wird. Erinnern wir uns an die klaren Worte Jesu, die wir im heutigen Evangelium hörten. Er fordert uns auf, Diener, ja Sklave zu werden, nicht Herrscher.

Da sind nun aber auf der anderen Seite die Erfahrungen unserer Zeit. Wie viele setzen sich gerade deshalb durch, weil sie rücksichtslos ihre Ellenbogen gebrauchen. Und wer dieses Spiel nicht mitspielen will oder kann, wird zur Seite gedrängt, nicht für ernst genommen. Am Arbeitsplatz ist dieses üble Spielchen als Mobbing nur zu gut bekannt.

Ganz auf dieser Linie liegt auch die Tatsache, dass freiwilliger Einsatz für sozial Schwache, für die dritte Welt, für den Umweltschutz kein sonderliches Ansehen bringen. Wie viele unserer ehrenamtlich Engagierten erfahren immer wieder Unverständnis für ihren Einsatz selbst aus dem Kreis ihrer Freunde und sogar Angehörigen.

Man braucht wahrhaft kein eingefleischter Pessimist und kein notorischer Unglücksprophet zu sein, um diese Entwicklung – weg von der Demut – für bedenklich, ja gefährlich zu halten für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Die alte Tugend, sich zurückzunehmen, für andere einzutreten, also Diener von Mitmenschen zu werden – die ist doch mit Sicherheit heute genauso oder noch mehr gefordert als vor 50 oder 100 Jahren. Wie also kommen wir zur Rettung der Demut, dieses alten und - wie ich meine - immer noch notwendigen Wertes?

Zunächst einmal, indem wir dieses kurze Wort Demut mit seinen fünf Buchstaben ein wenig genauer unter die Lupe nehmen:
Drei der fünf Buchstaben ergeben nämlich das Wort MUT. Daraus vielleicht schon können wir den Schluss ziehen, dass Demut zu mindestens 60 % aus Mut besteht. Bei dieser Erkenntnis gilt es, mit einem uraltem Missverständnis aufzuräumen.
Die Demut darf nämlich keineswegs missbraucht werden als fromm und tugendhaft wirkendes Deckmäntelchen für persönliche Defizite und mangelndes Selbstvertrauen, dafür dass ich – wenn ich mir nichts zutraue und den Kopf hängen lasse – das Ganze dann noch als Demut bezeichne.
Schlimmer noch ist es, wenn das Deckmäntelchen „Demut“ gewissermaßen von den allzu Starken und Mächtigen den Schwächeren übergeworfen oder von ihnen abverlangt wird nach dem Motto: Bleib Du mal schön brav demütig!

Mit diesen Überlegungen kommen wir nun hoffentlich dem Begriff „Demut“ und seinem eigentlichen Wesen ein Stück näher.
Wenn wir die Kernaussage des heutigen Evangeliums bedenken, dann wird eindeutig klar: Die Jünger Jakobus und Johannes wollen es sich bequem machen, sich sonnen auf den vornehmen Sesseln links und rechts von Christus. Das bedeutet auch: Sie wollen ein wenig teilhaben an der Macht des dann in seinem Reich herrschenden Christus. Aber das kann jeder, darauf zu schielen, als Trittbrettfahrer zu etwas zu kommen. Das fordert keinen Mut, sich im Glanz eines Mächtigeren sonnen, sich mit den Mächtigen zu brüsten.

Eines wird aber deutlich: das Schielen nach Macht löst die typisch menschlichen Rangeleien um die besten Plätze aus. Das kennen wir auch heute selbst in den Diskussionen um die künftigen Strukturen von Kirche.

Jesus aber hat ganz andere Visionen. Für ihn ist der groß, der den unteren Weg geht: der bereit ist, sich auf die am Boden Liegenden, die Schwach- und Hilflosen einzulassen, der bereit ist, Leid und Entbehrungen auf sich zu nehmen. Kein Zweifel, das erfordert eine gehörige Portion Mut. Jesus hat diesen Mut vorgelebt, mit letzter Konsequenz. Wirklich: Demut besteht zu mindestens 60 % aus Mut. Es lohnt, diesem alten Wert genau auf die Spur zu kommen und ihn so vielleicht wieder zu entdecken als eine wichtige Haltung, die unser Zusammenleben in der Gesellschaft liebenswerter macht.

Immer wieder werden im Bereich des öffentlichen Lebens, der Gesellschaft, vom Staat, von Kommunen, von Behörden und Institutionen Projekte und Maßnahmen aus dem weiten Netzwerk der Caritas mit Anerkennungen und Auszeichnungen bedacht. In der zurückliegenden Woche – um ein Beispiel zu nennen – hat die Regierung von Unterfranken zusammen mit dem Innenstaatssekretär Sandro Kirchner dem SkF Schweinfurt, der gerade sein 70jähriges Bestehen gefeiert hat, den Integrationspreis für gelungene Integrationsarbeit verliehen. Damit wurde die nachhaltige, erfolgreiche und insbesondere ehrenamtliche Aktivität gewürdigt, die in vorbildlicher Weise die Integration von Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund in Unterfranken unterstützt.
Auch dieses Beispiel macht deutlich: Demut setzt immer eine gewisse – gerade persönliche – Stärke und – damit verbunden – persönlichen Einsatz voraus.

Es ist deshalb kein Widerspruch, wenn wir die Menschen in unseren christlichen Gemeinden einerseits zur Stärkung des Selbstwertgefühls, zu Selbstsicherheit und Durchsetzungskraft führen möchten, wenn wir andererseits dennoch den so alt und antiquiert wirkenden Wert der Demut hochhalten und zur Demut ermutigen.

Nur wer weiß, was er selbst wert ist, kann auch Raum für den anderen lassen. Nur wer im Leben einen sicheren Stand hat, kann auch den anderen ertragen und ihn in schwierigen Situationen vielleicht sogar tragen. Nur wer gelernt hat, etwas durchzusetzen, kann sich auch für die Schwachen stark machen. Das ist christlich verstandene Demut.

Wann und wo sollen wir nun damit anfangen, demütig zu sein? Gewiss nicht dann und dort, wenn wir uns total unsicher und überfordert fühlen, uns vielleicht sogar mit frommen Augenaufschlag auf die Demut berufen, dass wir alles laufen lassen. Gewiss aber auch nicht dann, wenn wir uns als der vollkommen selbstsichere Mensch fühlen. Dann besteht die Gefahr, dass wir selbstherrlich und überheblich erscheinen. Beides hat nichts mit Demut zu tun.

Beides kann durchaus parallel laufen: Die Zunahme an Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit und der Mut, sich dort, wo wir uns sicher genug fühlen, zurückzunehmen zugunsten eines anderen, der einen Freiraum zu seiner Entfaltung braucht, damit er aufleben kann. Das sind aber keine neuartigen, modernen und schon gar keine revolutionären Erkenntnisse: Schon aus dem Mittelalter wird uns etwa von Heiligen, z.B. von Norbert von Xanten, ganz lapidar berichtet: Er war den Großen groß, den Kleinen aber klein. Er war ein wirklich demütiger Mensch.

Genau darum geht es, dass wir wegkommen von einer falsch verstandenen Selbstsicherheit und Überheblichkeit, dass wir sogar über uns hinausgehen, um auf Augenhöhe mit den schwachen Menschen zu sein. Dann können wir ihnen wirklich dienen und unser Zusammenleben wird immer menschlicher. Dann wird deutlich, wie wichtig unsere Botschaft als Kirche in einer Gesellschaft ist, die sich immer weniger bewusst ist, wie ein friedvolles, zufriedenes, erfüllendes und sozial gerechtes Miteinander gestaltet werden kann.

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Gott, der Du einstiegst
in die Miseren der Welt,
der Du ausstiegst
aus dem Zirkel
von Verblendung, Gewalt und Zerstörung:

Erleuchte uns,
bevor wir zerstrahlt sind!

Erbarme Dich,
damit die Erde und wir und die nach uns
nicht unwiderruflich
eigener Gier und Erbarmungslosigkeit
zum Opfer fallen.

Unbeirrbarer,
stecke uns an
mit Deiner Leidenschaft
für das Leben.

(Autor unbekannt)