Evangelium
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.
Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen. Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Johannesevangelium 14,15–16.23b–26
„Ein Zuhause, in demjeder willkommen ist“
Bei seinem letzten Besuch in Taizé war Thomas Broekhoffs Bibelgruppe international gemischt – Deutsche, Portugiesen, Norweger und Ägypter. „Es ist so schön, dass wir hier so viele Leute aus der ganzen Welt kennenlernen können“, sagt er. Im Gespräch über die Bibeltexte erfahre man viel über das Leben und die Kulturen anderer Länder. Verständigt wird sich auf Englisch, notfalls helfen andere mit Übersetzungen.
„Als ich jünger war, waren die Sprachen eine kleine Herausforderung für mich“, sagt der 31-jährige Katholik aus Utrecht in den Niederlanden. Seit er denken kann, nahmen ihn seine Eltern fast jedes Jahr mit nach Taizé. „Ich weiß noch, dass ich es die ersten Jahre hier ganz schrecklich fand, als kleines Kind war es für mich so langweilig“, erinnert er sich. „Ich bin dann immer zu den beiden kleinen Spielplätzen in der Nähe gegangen.“
Mit 15 entschied er sich, eine Woche allein nach Taizé zu fahren – seitdem kehrt er jedes Jahr zurück. Vor drei Jahren lernte er dort seine heutige Freundin kennen – eine Deutsche. „Für mich ist Taizé ein zweites Zuhause“, sagt Broekhoff. „Ein Zuhause, in dem jeder willkommen ist.“
Verschiedene Konfessionen oder Frömmigkeitsstile stören die Gemeinschaft nicht. „Hier gibt es keinen Wettkampf. Keiner versucht die anderen zu überreden, dass nur er den richtigen Glauben hat“, sagt Broekhoff. Katholische, evangelische und orthodoxe Traditionen verschmelzen. „Ich habe schon von Katholiken gehört, ihnen sei es hier zu evangelisch und andersherum“, erzählt er. Er selbst schätzt die Mischung der Traditionen und Kulturen: „Man muss sich nur darauf einlassen.“
„Die Sprachbarriere lässt sich ziemlich leicht überwinden“
Als Ladyna von ihrer Heimat in Baden-Württemberg nach Jena zog, war ihr Mitbewohner Lorenz für ein halbes Jahr im Ausland. Erst bei seiner Rückkehr stellte sie fest: Sie kannte ihn schon – aus Taizé. „Ich wusste nicht, dass mein Mitbewohner Lorenz der Lorenz war, mit dem ich vorher schon befreundet war“, sagt die evangelische Christin und lacht.
In Taizé hatte sie viele Menschen aus aller Welt kennengelernt, Freundschaften geknüpft und sie Jahr für Jahr wiedergesehen. Wie oft sie dort war, weiß die 32-Jährige nicht genau – zehnmal sicher. „Ich genieße die Ruhe und die Zeit“, sagt sie. Und die Gemeinschaft. Zusammen arbeiten, beten, essen: „Eine Gemeinschaft – das ist das, was mir in der Kirche in Deutschland, so wie ich sie kennengelernt habe, oft fehlt.“
Um sich zu verständigen, sprechen die meisten Englisch – eine Art Taizé-Englisch, sagt Ladyna, weil auch mal deutsche oder französische Begriffe eingestreut würden. „Die Sprachbarriere lässt sich in Taizé ziemlich leicht überwinden.“
Das liegt auch daran, dass die Menschen, mit dem gleichen Ziel kommen: Sie seien auf Sinnsuche und wollten sich austauschen, so Ladyna. Grundsätzlich lege Taizé mehr Wert auf Gemeinsamkeiten als auf Unterschiede. In den Bibelgruppen werde nicht über theologische Fragen wie die jungfräuliche Geburt diskutiert, sondern über das Leben, sagt sie: „Was gibt uns Hoffnung? Wie kann das Zusammenleben mit anderen gelingen? Solche Fragen.“
Der Austausch mit Menschen verschiedener Kulturen sei bereichernd: „Das bringt vielfältigere, tiefere Gedanken, als wenn man allein in die Bibel schaut.“ Weil es um Themen geht, die alle betreffen, kann jeder etwas beitragen. Deshalb gelingt auch der Austausch mit Atheisten oder Muslimen, wie beispielsweise bei dem jährlichen islamisch-christlichen Freundschaftstreffen. Taizé ist ein Ort, der verbindet.
„Da war so viel Akzeptanz, Liebe und Neugier füreinander“
Vor ihrem ersten Besuch in Taizé hatte Sarah Assad aus Kairo in Ägypten einige Vorurteile. Sie dachte, Europäer seien zurückhaltender als Menschen aus der arabischen Kultur. „Aber in Taizé ist niemand zurückhaltend“, sagt sie und lacht. Jeder teilt Gedanken und Gefühle, zeigt sich verletzlich. Ein Mädchen aus Deutschland, das Assad dort kennenlernte, sagte zu ihr: „Es ist so seltsam. Die Deutschen hier sind ganz anders, als ich sie kenne.“
In Taizé bauen viele Fremde gemeinsam ein Leben auf. Jeder übernimmt Aufgaben – das schafft Gemeinschaft. Besonders prägend, sagt Assad, seien die Gespräche in den Bibelgruppen. Die Offenheit, mit der sich die Menschen begegnen, erzeuge eine tiefe Verbindung. Hier habe sie Freundschaften fürs Leben gefunden.
Die 35-jährige Ägypterin, die koptische Wurzeln hat und 2018 zum Katholizismus konvertierte, wurde von ihrer Schwester auf Taizé aufmerksam gemacht, besuchte das europäische Jugendtreffen in Slowenien und war beeindruckt. „6000 Menschen zusammen in einem Stadion, betend. Das war unglaublich“, sagt Assad. „Mir hat das einen Eindruck davon vermittelt, wie das Reich Gottes aussehen könnte.“ Menschen aus aller Welt kommen zusammen, sprechen über ihren Glauben, singen in verschiedenen Sprachen und spüren den Heiligen Geist. „Da war so viel Akzeptanz, Liebe und Neugier füreinander“, erzählt sie.
Auf ihren ersten Besuch in Taizé 2024 folgt ein zweiter in diesem Jahr. „Wer einmal kommt, kommt immer wieder“, sagt sie. „Und es verändert dich.“ Dieser Ort, an dem jeder willkommen ist und sich sicher fühlt, erinnert sie an Jesus. „Diese Offenheit, die durch Taizé in dein Herz kommt, strahlst du nach außen“, sagt sie.
Jasmin Lobert